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Editorial I Fondsjournal Juli 2024

10 Gedanken zur Halbzeit

Halbzeit. Das erste Halbjahr 2024 ist zu Ende und wie im Fußball ist dies eine gute Möglichkeit, ein Zwischenfazit zu ziehen, die Strategie zu überprüfen und gegebenenfalls nötige Anpassungen vorzunehmen. Zwei Erkenntnisse bestätigen auch im heurigen Jahresverlauf bekannte langfristige Erfahrungen.
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Erstens: Bleiben Sie investiert. Eine solide, diversifizierte und global ausgerichtete Mischstrategie aus Anleihen, Aktien und etwas Gold brachte auch 2024 eine attraktive Rendite deutlich über der Verzinsung von Barmitteln. Zweitens: Behalten Sie sich einen Grundoptimismus. Die Konzentration auf Krisenherde der Geopolitik oder das lokale Konjunkturumfeld verstellen oft den Blick auf internationale Investmentchancen. Und wie im Fußball sollte Ihr Depot auch als “Mannschaft” funktionieren, mit defensiven und offensiven Investments, aber immer mit dem Blick auf das Gesamtergebnis.

10 GEDANKEN UND LEITPLANKEN FÜR 2024

Gedanke 1
SOLIDE GLOBALE KONJUNKTUR
Der IWF (Internationale Währungsfonds) geht in seiner Prognose für das reale Wachstum der Weltwirtschaft für die Jahre 2024 und auch 2025 von einem Plus von jeweils knapp über 3 % aus. Das ist die zentrale Zahl für rationale Geldanlageentscheidungen und nicht das aktuelle Minimalwachstum in Österreich und Deutschland. Inflationsschock, Zinswende und die Verwerfungen der Geopolitik – in Anbetracht der Herausforderungen der vergangenen Jahre bleibt als Fazit: Die Weltwirtschaft hält viel aus und ist widerstandsfähiger und anpassungsfähiger als oft angenommen.

Gedanke 2
EZB MIT SENKUNGSPOTENTIAL
Bei einer aktuellen Inflationsrate von unter 3 % und einer Konjunkturerwartung von etwa 0,60 % für 2024 gibt es Raum für Zinssenkungen. Wir gehen von zwei weiteren Senkungen in Höhe von jeweils 0,25 % bis Jahresende aus; auch 2025 sollte es noch den einen oder anderen kleinen Schritt nach unten geben. Die EZB muss aber auch darauf achten, sich nicht zu weit von der US-Notenbank zu entfernen. Dies würde den EURO im Vergleich zum Dollar wohl deutlich schwächen, was zwar positiv für den Export wäre, aber auch wieder importierte Inflation über die Rohstoffpreise bringen könnte. Die US-Notenbank kann und wird sich mit Zinssenkungen Zeit lassen, was die Lage der EZB verkompliziert.

Gedanke 3
FRANKREICH ALS WECKRUF
Ruhig, vielleicht zu ruhig verliefen die vergangenen Jahre im Bereich der EURO-Staatsanleihen. Die Situation in Frankreich mit doch deutlich steigenden Zinsdifferenzen zu Deutschland ist ein Weckruf und erinnert uns an die Komplexität der EURO-Zone und den teilweise hohen und vor allem steigenden Schuldenstand. Blickt man in die Zukunft und denkt an die Kosten der unumkehrbaren Demografie, der Energiewende oder der Infrastruktur, dann wird eine Umkehr des Trends schwierig sein. Auch das Budgetdefizit der USA liegt mit 7 % auf enorm hohem Niveau. Im Umfeld von steigendem Refinanzierungsbedarf sind sinkende Renditen von Staatsanleihen am langen Laufzeitende daher wohl wenig wahrscheinlich.

Gedanke 4
INFLATION IM NEUEN ZIELKORRIDOR VON KNAPP UNTER 3 %
Auch wenn die Notenbanken verbal am Zielkorridor von 2 % festhalten, wird sich der Mittelwert der kommenden Jahre wohl im Bereich von nahe 3 % bewegen. Ein gewisser Lohndruck wird aufgrund der Demografie bleiben und strukturell etwas höhere Inflationsraten als im vergangenen Jahrzehnt bringen. An die oft zitierte zweite Inflationswelle glauben wir trotz historischer Vergleiche nicht. Geht man in die lange Historie der Finanzmarktgeschichte zurück, so sind aus Kapitalmarktsicht Inflationsraten um 3 % sogar das wünschenswerte Umfeld. Deflation würde die Unternehmensgewinne erodieren lassen, hohe Inflation führt zu Zinsdruck und Notenbankreaktionen.

Gedanke 5
AKTIENMÄRKTE BESSER ALS ERWARTET
Grundsätzlich muss man sich immer vor Augen führen: An der Börse investiert man nicht in Volkswirtschaften oder politische Systeme, sondern in Unternehmen. Gut geführte Unternehmen sind anpassungsfähig, innovativ und steigern die Produktivität. Die Aktienmärkte haben im bisherigen Jahresverlauf die Erwartungen übertroffen, auch wenn die Konzentration auf einige wenige US-Titel ein Bild zeigt, dass sich in der Breite des Marktes nur bedingt widerspiegelt. Der Grund für den positiven Jahresverlauf liegt eben in den soliden Gewinnentwicklungen und der robusten Weltkonjunktur. Die 20-er Jahre brachten bis dato eine stürmische Entwicklung. Pandemie, Inflationsschock, Zinsschock, Krieg – und dennoch konnten in diesen gut vier Jahren seit Beginn 2020 die börsennotierten Unternehmen in den USA und in Europa ihre Gewinne im Schnitt um etwa 8 % p.a. steigern, was ein grundsätzlich klares Pro-Argument für ein breit diversifiziertes, strategisches Aktieninvestment ist.

Gedanke 6
AKTIENMARKT – DIE BEWERTUNGEN
Europa liegt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp unter 15 im langjährigen Schnitt, britische Unternehmen liegen sogar deutlich unter dem langfristigen Schnitt, gleiches gilt für den österreichischen Aktienmarkt. Ob und wann es zu einer „Wiederentdeckung“ dieser Märkte kommt, ist offen. Angesichts der Bewertung und der mittelfristig sinkenden Leitzinsen erscheint das Rückschlagspotential aber sehr überschaubar. Die USA liegen mit einer Bewertung bei einem KGV von knapp über 20 recht deutlich über dem langfristigen Schnitt, was allerdings zur Gänze auf die vielzitierten Top-Unternehmen um Microsoft, NVIDIA, Amazon & Co zurückzuführen ist. Der breite Markt ist im historischen Mittelwert. Zudem sind die US-Unternehmen Weltmeister in Produktivitätssteigerungen. Die Gewinnmargen der Unternehmen des S+P 500 sind in den vergangenen 10 Jahren von 10 % auf über 14 % gestiegen, was eine strukturell höhere Bewertung des Marktes argumentieren lässt.

Gedanke 7
KI – EINE BLASE?
Der Hype um künstliche Intelligenz ist sicherlich das Thema des Jahres 2024. Ist es eine Blase? Wie bei jedem Trend wird es Rückschläge geben, die Zeitachsen mögen zu optimistisch sein und auch manche Formulierungen, wo KI exakt beginnt, sind unklar. Aber: Die Investments der US-Großkonzerne in KI-Infrastruktur sind beeindruckend. Trotz möglicher  Rückschläge gehen wir daher davon aus, dass dies ein klarer Trend der kommenden Jahre ist, mit dem Potential die Produktivität von Unternehmen neuerlich zu steigern. Die US-Unternehmen werden wohl auch diesmal wieder die Nase vorn haben. Der KI-Hype hat auch zu einer sehr hohen Konzentration am US-Aktienmarkt geführt. Dass die Top-10-Unternehmen mittlerweile ca. 35 % der Marktkapitalisierung des S+P 500-Index ausmachen, kann man kritisch sehen.  Zwingend muss man aber dazusagen, dass diese Unternehmen zuletzt auch für ca. 26 % der Unternehmensgewinne dieses Index stehen. Solange dieses Bild korreliert, bleiben wir investiert, auch wenn klarerweise unsere Strategien nicht aus 10, sondern aus 50 bis 80 verschiedenen Unternehmen bestehen.

Gedanke 8
GOLD ALS FIXER BESTANDTEIL
Gold zeigte im Jahr 2024 eine deutlich positive Entwicklung und ist global betrachtet in den Anlegerdepots immer noch deutlich unterrepräsentiert. Primäre Käufer waren die Notenbanken, vor allem aus Emerging-Markets. China will den Anteil an US-Staatsanleihen reduzieren und war als beständiger Käufer am Markt – man tauscht Geldwerte in Sachwerte. Der Gold-Anteil an den Devisenreserven ist aber noch vergleichsweise gering, sodass – wie meist in China – von einem Mehrjahresplan auszugehen ist. Unseren etwas sorgenvollen Blick auf die Staatsschulden haben wir schon beschrieben. Wir denken zwar nicht, dass dies ein aktuelles Problem darstellt, verweisen aber auf den Spruch „Staatschulden sind solange kein Problem, bis sie ein Problem sind“. Wir stehen daher aus grundsätzlichen Diversifikationsüberlegungen zur Goldgewichtung und sehen Schwächephasen als Kaufchance.

Gedanke 9
ROHSTOFFE ERWACHEN
Rohstoffinvestments waren in den vergangenen zehn Jahren ein schwieriges Pflaster. Vor allem bei den Industriemetallen gehen wir aber von einer Trendwende aus und sehen die kommenden Jahre deutlich positiver. Wir haben daher zuletzt sowohl die Direktinvestments als auch die Mineninvestments erhöht und empfehlen einen Teil des Depots unter „Sachwerte“ zusammenzufassen. Elektromobilität, Server-Farmen, Energiewende und vor allem auch Energieinfrastruktur – denkt man an diese Entwicklungen und nötigen Investments, so ist sehr schwer vorzustellen, woher etwa das nötige Kupfer kommen soll. Die Nachfrage dürfte das Angebot übersteigen, was zu höheren Preisen führen wird müssen.

Gedanke 10
NÖTIGE WECHSEL ZU HALBZEIT?
Anleihen eignen sich nach einem dürren Jahrzehnt wieder bestens für die Stamm-Mannschaft. Mit globalen Strategien, die alle Anleihesegmente abdecken, sind Renditen im Bereich von 4 % bis 4,5 % darstellbar, auch riskantere Segmente wie Emerging-Markets oder Hochzinsanleihen sind in Anbetracht des Chancen-Risiko-Verhältnisses wieder interessant. Sollten Sie hier unterrepräsentiert sein, dann macht die eine oder andere Einwechselung Sinn, eventuell könnten Sie im Gegenzug EUR-Staatsanleihen reduzieren.

Im Aktienbereich brauchen Sie zwingend eine globale Aufstellung, eben um von den globalen Megatrends und Chancen zu profitieren. Haben Sie eine deutliche regionale Übergewichtung, dann sollten Sie zur Halbzeit zwingend eine Änderung und Auswechslung vornehmen. Vertrauen Sie aber nicht auf einige wenige Stars, sondern setzen Sie auf einen breiten Stamm mit möglichst unterschiedlichen „Spielern“, beziehungsweise Investments.

Und sollten Sie in Ihrer Halbzeitanalyse feststellen, dass Sie keine Sachwerte in Form von Gold und Metallen haben, dann sollten Sie auch hier zumindest eine Einwechselung vornehmen.

​​​​​​​Mit dieser Aufstellung können Sie optimistisch in die zweite Halbzeit gehen, ohne zu wissen und unabhängig davon, wie der Gegner agieren wird.
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Wir wünschen Ihnen einen erholsamen Sommer und melden uns im September mit unserem Monatskommentar zurück.

Ihr Alois Wögerbauer

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